7th African Pearls / „Sahara Blues” – AFEL BOCOUM (Mali)
€ 25,00 – € 31,00
Beschreibung
Bild: Afel Bocoum © Sedou Camara
Afel Bocoum – lead vocals and guitar
Ali Traore – guitar and backing vocals
Mahalmane Traore – calabash, drum set and backing vocals
Der Titel von Afels neuem Album für die Tour 2025 wird „Harber“ sein, was in Songhai „Großvater“ bedeutet. Das Album ist Harber Maiga gewidmet, Afels Mentor, der ihn mit der Musik bekannt machte.
„Seine Musik ist Landschaft gewordener Ton, gleichbleibend, von hypnotischer Schönheit.“ Jazzthetik, 10/1999
Mit einer neuen Ausgabe der „AFRICAN PEARLS”-Reihe wird im April 2025 der gefeierten DESERT BLUES-Star AFEL BOCOUM aus Mali präsentiert. Die Herrlichkeit seiner Musik steht im krassen Widerspruch zur Situation im Herkunftsland Mali. Seit Jahren eskalieren ethnische Konflikte, geschürt von islamistischen Terrorkommandos und begünstigt durch einen korrupten, schwachen Staat, dessen Regierungen mit Regelmäßigkeit vom Militär aus dem Amt geputscht werden. Afel Bocoum, gebürtiger Malier, hält mit „Lindé“ dagegen. Sein Album versteht sich als Aufruf zu Dialog und Versöhnung. Denn gewöhnlich sind sich die Menschen nicht von sich aus feind. Sie werden zu Feinden, sobald sie skrupellosen, herrschsüchtigen Ideologen auf den Leim gehen. Afel Bocoum stammt aus Niafunké, gelegen an den Ufern des mächtigen Niger, knappe drei Autostunden südwestlich von Timbuktu. Ali Farka Touré, ebendort aufgewachsen, war ein Jugendfreund und langjähriger Weggefährte, der mit „Niafunké“ eine Albumhommage an den gemeinsamen Heimatort hinterließ. Der Titel zu Afel Bocoums letztem Album „Lindé“ bezieht sich auf ein Waldrefugium im Umkreis, das den beiden als Abenteuerspielplatz diente.
Der Sänger und Gitarrist spielte und sang seit 1968 nicht nur 38 Jahre (!) lang an der Seite des großen Ali Farka Toure in dessen Band, sondern gilt mit seinem grandiosen Solo-Werk auch als dessen legitimer Nachfolger, wenn auch noch eine Spur erdiger und „afrikanischer” (sic) als sein großer Mentor.
Sein wunderschönes Solo-Debut Alkibar, produziert für „World Circuit” von Nick Gold schlug 1999 nicht nur entlang des Niger ganz hohe Wellen, sondern führte weltweit die „World Music Charts” an. Und als Damon Albarn (Blur, Gorillaz) Afel Bocoum zu seinem „African Express”-Projekt einlud und ihn 2002 auf dem Album Mali Music produzierte, zündete in England abermals ein Feuerwerk. Auch die Alben Niger (2006) und Tabital Pulaaku (2009) wurden ein großer Erfolg.
2020 kehrte er mit dem gefeierten Album „Lindé“ schließlich zu „World Curcuit” zurück. Die Idee des Dialogs ist gewisserrmaßen globaler gefasst. Traditionelle Saiteninstrumente wie die Ngoni, die Njurkele, die Kora, treten in einen Austausch mit der Elektrogitarre des Briten Sonny Johns, der Posaune von The Skatalites/Bob Marley-Gefolgsmann Vin Gordon, einer Violine, beigesteuert von Joan As Police Woman; Blurs Damon Albarn hat produziert. Tief verwurzelt in westafrikanischer Musikkultur und gleichermaßen verwoben mit der Welt, erzählen die Songs Geschichten, die sowohl bei Afel Bocoums Landsleuten als auch überregional auf Resonanz stoßen müssten. „Sambu Kamba“ ermutigt die Jihadisten, die Waffengewalt gegen Argumente einzutauschen. „Jaman Bisa“ beschreibt, wie das gesamte öffentliche Leben durch geschlossene Schulen und unterbrochene Transportwege zu Wasser und zu Land ernsthaft bedroht ist. „Bombolo Liilo“ und „Kakilena“ wenden sich an die Fluchtwilligen, die in Europe höchst selten das gute Leben finden werden, das sie suchen, in der Heimat aber bei der Erneuerung der Gesellschaft fehlen. Das finale „Djougal“, eine Würdigung des weitsichtigen Mannes, dem es gelang, die Bauern von Niafunké und Umgebung zu einer Kooperative zusammenzuschließen, enthält einen der letzten Auftritte des 2020 verstorbenen Afrobeat-Schlagzeugers und Fela Kuti-Mitstreiters Tony Allen. Hier hätte man gern mehr gehört als die knapp viereinhalb Minuten, gegen Ende mündet der Song in eine wilde Jamsession.
(„Afel’s Stimme ist einer der Schätze Malis, und diese Platte ist ein Geschenk an uns alle.“ Nick Gold)
Afel Bocoum – Lindé
Tanz und Kontemplation (Viktor Fritzenkötter / Plattentests.de)
Dass die Musiklandschaft Malis weit über die Grenzen des westafrikanischen Landes hinaus ausstrahlt, hat verschiedene Gründe. Sie spiegelt die Auseinandersetzungen einer Gesellschaft, die so widersprüchlich, komplex und reich an Konflikten ist, dass beinahe überall Geräusche und Reibungen entstehen, die dann wiederum als Funkenschlag Eingang finden in ihre Lieder. Ihre Vielseitigkeit – von den psychedelischen Hypnosen des Touareg-Rock bis zu den berückenden Kora-Melodien der Mandé-Musik – fasziniert somit seit einiger Zeit Künstler aus dem Westen, die sich gleichermaßen auf Spurensuche wie auf Entdeckungstour befinden. Martin Scorseses Doku „Feel like going home“ beispielsweise sucht die Wurzeln des amerikanischen Blues in Westafrika und schlägt eine Brücke zwischen zwei Regionen, die so maßgeblich von ihren Hauptflüssen geprägt waren und sind: dem Mississippi und dem Niger. In den inzwischen zahlreicher werdenden transkontinentalen Kollaborationen verschiedener Musiker fällt besonders ein Name immer wieder ins Auge: Ali Farka Touré. Spätestens seit seinem 1994 erschienenen Album mit Ry Cooder („Talking Timubktu“) liefen bei ihm die Fäden einer ganzen Szene zusammen, die das Städtchen Niafunké auf die musikalische Landkarte brachte und wenige Jahre später auch Damon Albarn anlockte. Albarn traf dort auf den von Touré protegierten Afel Bocoum und die Saat einer fruchtbaren Zusammenarbeit war gesät.
Fast zwanzig Jahre nach dem Gemeinschaftsprojekt „Mali music“ produziert Albarn nun das inzwischen vierte Studioalbum Bocoums, das nach einem Niafunké umgebenden Landstrich benannt ist. Bocoum habe etwas zu sagen über den Zustand seines Landes, sich verändernde Familienstrukturen, Arbeit und den sozialen Kitt – und Musik sei nun mal sein Ventil, so der Mittsechziger. Nicht die schlechtesten Voraussetzungen und bereits der Opener verrät, dass es ihm ernst ist. „Penda djiga“ beginnt als spröder, staubiger Blues, der melancholisch und erdverbunden vor sich hintrottet, bis er sich langsam erhebt. Frauenchöre gehen ein lebendiges Frage-Antwort-Spiel mit Bocoum ein, das Schlagzeug nimmt Fahrt auf, die Gitarren tanzen immer wilder: Schon die ersten Minuten auf „Lindé“ legen Zeugnis ab über die Brillanz und Eingespieltheit seiner Musiker und eine tranceartige Atmosphäre, in der Tanz und Kontemplation einander stets durchwirken. Auch Gegenbilder aus Stadt und Land manifestieren sich nach und nach.
„Bombolo liilo“ beginnt mit freundlichen Bläsern und beschwingtem Sprechgesang auf einem Reggae-Beat – Posaunist Vin Gordon spielte einst in Bob Marleys Band – und dockt zunächst im Nachtleben Bamakos an, bevor die harfenähnlichen Klänge der Kora Tiefe und Textur verleihen. Die fröhlichen Harmonien in „Avion“ und ihr versicherndes Credo „On n’est pas fatigué“ versetzen geradewegs ins urbane Treiben, in dem Stimmengewirr und körperlicher Ausdruck als Bereicherung wahrgenommen werden. Doch auch die beinahe meditative Ruhe des traditionelleren Mali-Blues blitzt immer wieder auf und wird im wunderschönen „Fari njungu“ von Joan Wasser (Joan as Police Woman) mit einer schwebend-ätherischen Violine betupft. Die Melodien des kargen „Jaman bisa“ sind hingegen von einer feierlichen Schwermut getragen, die ein subtiler Rhythmuswechsel sanft abrollen lässt. Wellenartig, nicht explosiv: So kommt die Ästhetik dieser Lieder daher.
Der kollaborative Ansatz, der Afel Bocoums musikalisches Leben bestimmt, entwirft auch auf „Lindé“ die Statik der Lieder, die wirken, als folge man einem sich langsam entwickelnden Gespräch. Neben den erwähnten Gordon und Wasser spielen auch die verschlungenen Gitarrenfiguren Mamadou Kellys und das groovende und doch elegante Drumming des kürzlich verstorbenen Afrobeat-Pioniers Tony Allen, der einen formidablen Gastauftritt auf „Djougal“ hinlegt, eine gewichtige Rolle für den Fluss des Albums. Über allem schwebt die Weisheit Bocoums, der die Zügel in der Hand hält, weil er eben nicht um jeden Preis seinen Stempel aufdrücken muss. Musikalisch performiert „Lindé“ seine Forderung nach der Einigkeit vieler Stimmen, die er Mali so sehr wünscht. Denn dessen Wunden reißen immer wieder auf, auch innerhalb der Band: Hama Sankaré, der als traditioneller Perkussionist auch schon mit Touré zusammenarbeitete, starb kurz nach den Aufnahmen, als eine Landmine ihn und viele weitere Mitinsassen eines Geländewagens in den Tod riss. Eine Feier des Lebens, trotz seiner Tragik, seiner Anfälligkeit – das ist der kompromisslos hoffnungsvolle Ansatz, den Bocoum entgegenhält und der die Musik auf „Lindé“ so kraftvoll werden lässt.
Afel Bocoum – Lindé
Kritik: Globalsoundsinfo / 7. Oktober 2020
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von www.globalsounds.info zu laden.